Grundbegriffe der Geometrie - exemplarisch am Beispiel der Begriffe: Punkte und Geraden SoSe 22

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Um einen Begriff definieren zu können braucht man weitere Begriffe, mit denen man den neu zu definierten Begriff um- bzw. beschreibt. Auch diese weiteren Begriffe müssen aber im Vorfeld natürlich festgelegt, also auch definiert werden. Dies lässt sich dann endlos so weiterführen und man käme aus der Endlosschleife des Begriffedefinierens nicht heraus. Deshalb hat man in der Mathematik möglichst wenige grundlegende Begriffe, so genannte Grundbegriffe eingeführt, die nicht weiter bestimmt werden müssen (in der Geometrie z. B. die Begriffe: Punkte, Geraden, Ebenen, Abstand ...).
Historisch gesehen hat man im Laufe der Jahrtausende immer wieder versucht z. B. den Begriff Punkt zu fassen:

Was ist ein Punkt?

„Man muss jederzeit an Stelle von ‚Punkten‘, ‚Geraden‘, ‚Ebenen‘, ‚Tische‘, ‚Stühle‘, ‚Bierseidel‘ sagen können.“

David Hilbert (1862-1943)

Plato:

427 – 347 v.Chr.

„Ein Punkt ist der Anfang einer Linie.“

Aristoteles:

384 – 322 v.Chr.

„Ein Punkt ist eine unteilbare Einheit, die eine Position besitzt.

Euklid:

um 365 bis ca. 300 v. Chr.

„Was keine Teile hat ist ein Punkt.

Bei allem Respekt vor den Leistungen dieser Herren, ihre „Definitionen“ des Begriffes Punkt schaffen dem Erkenntnissuchenden nur für einen kurzen Moment Erleichterung. Danach quält ihn erneut die Gewissheit, eigentlich nichts zu wissen.

  • Was ist eine Linie?
  • Was ist der Anfang von etwas von dem ich nicht weiß, was es ist?
  • Was meint Aristoteles mit seiner Einheit?
  • Wenn ich schon nicht weiß, was mit Einheit gemeint ist, wie soll ich dann begreifen, was eine unteilbare Einheit ist?
  • Wer oder was zum Teufel hat keine Teile?

Betrachten wir doch einfach solche Objekte, mit deren Definition wir „weniger“ Schwierigkeiten haben.

  • Ein Quadrat ist ein Rechteck mit 4 gleichlangen Seiten.
  • Ein Rechteck ist ein Parallelogramm mit einem rechten Innenwinkel.
  • Ein Parallelogramm ist ein Trapez mit zwei Paaren paralleler Seiten.
  • Ein Trapez ist ein Viereck mit einem Paar paralleler Seiten.
  • Ein Viereck ist die Vereinigungsmenge von vier Strecken, wobei je drei der Endpunkte dieser Strecken nicht auf ein und derselben Geraden liegen.

Aus Gründen der Vollständigkeit wäre jetzt zu klären, was eine Strecke ist. Damit sind wir auf demselben Stand, wie zu Anfang dieser Ausführungen. Für den Begriff der Strecke brauchen wir wieder den Begriff des Punktes. Die Herren Plato, Aristoteles und Euklid waren diesbezüglich sehr bemüht aber letztlich nicht wirklich hilfreich. Irgendwann muss die Sache einmal „auf den Punkt gebracht“ werden:

Axiome

Punkte, Geraden und Ebenen lassen sich nicht wie Quadrate und Kreise definieren. Trotzdem haben wir gewisse Vorstellungen von ihren Eigenschaften: Durch zwei verschiedene Punkte geht genau eine Gerade. Wir legen also die Beziehungen zwischen den beiden Grundbegriffen Punkt und Gerade fest, ohne zu sagen, was ein Punkt oder eine Gerade ist. In diesem Sinne erfahren die abstrakten Grundbegriffe eine Präzisierung. Beweisen kann man die Eigenschaften der Beziehungen der Grundobjekte freilich nicht. Es sind unbeweisbare Grundtatsachen bzw. Grundannahmen. Der Mathematiker formuliert sie als Forderungen und nennt diese dann Axiome.
Eine Zusammenfassung dieser Zusammenhänge finden Sie hier: Übersicht: axiomatischer Aufbau der Geometrie

Wir werden uns im Rahmen dieser Veranstaltung nicht weiter mit den Axiomen beschäftigen. Sie sollten aber trotzdem den prinzipiellen Sinn und Nutzen von Axiomen verstanden haben, denn wir werden im Laufe der Zeit natürlich weitere Grundbegriffe kennenlernen, die nur axiomatisch zu fassen sind.

Sind Sie an tieferen Einblicken in die Axiomatik interessiert?
Schauen Sie doch einfach in die Seiten der Sekundarstufe, da wird dieses Thema intensiver behandelt!