GeometrieUndUnterrichtSS2019 09

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Inhaltsverzeichnis

Vorbereitungsauftrag

Lesen Sie Prediger & Hein (2017). Learning to meet language demands in multi-step mathematical argumentations: Design Research on a subject-specific genre. In European Journal of Applied Linguistics 5(2). Beantworten Sie für sich die folgenden Fragen/Aufgaben.

Fragen zu den Abschnitten 1 und 2

  1. Welche Schwierigkeiten oder Anforderungen bestehen beim Beweisen und Argumentieren für Schülerinnen und Schüler?
  2. Was halten Sie für die größte Anforderungen? Was war für Sie die überraschendste Schwierigkeit?

Fragen zu den Abschnitten 3, 4 und 5

  1. Welcher Ausschnitt aus den empirischen Daten (Aussage in einem SuS-Dialog, Auszug aus einem SuS-Text, …) war für Sie überraschend oder besonders interessant?
  2. Wählen Sie einen beliebigen Beweis aus der Geometrie aus und bereiten Sie ihn in der im Artikel vorgestellten Strukur (Figure 8) auf.

Sitzungsmaterialien

Dokumentation der Sitzung

Zusammenfassung

Die Ergebnisse des Vorbereitungsauftrages wurden besprochen und das im zu lesenden Paper erörterte "scaffolding" erörtert. Anschließend wurde dieses am konkreten Beispiel des Beweises des Satz des Thales aufzubereitet.

Besprechung des Vorbereitungsauftrages

Zur Vorbereitung der Sitzung war das Paper „Learning to meet language demands in multi-step mathematical argumentations: Design Research on a subject-specific genre“ (Prediger & Hein, 2017) zu lesen. Zu Beginn der Sitzung wurde dieser besprochen und die einzelnen Kapitel bzw. Textblöcke analysiert. Ziel des Papers war es, sich mit Schwierigkeiten von SuS auseinanderzusetzen, die bei(m Aufbau von) Argumentationen bzw. Beweisen in der Mathematik auftreten können und wie diese behoben werden könnten. Diese wurden an der Tafel festgehalten:

Argumentstruktur nach Toulmin

Probleme bei Beweisaufgaben im Unterricht

  • Unterscheidung von Prämissen, Argument, Argument in Anwendung, Schlussfolgerung
  • Einsichtigkeit der (Allgemein)Gültigkeit von Aussagen, sowie die Möglichkeiten der Anwendung zu begreifen und diese „parat zu haben“
  • Konkrete Beispiele (Experimentelles Beweisen) als nicht-ausreichend akzeptieren
  • Fehlendes Beweisbedürfnis
  • Wenn-dann („if-then“) einsehen („Understanding their structure is crucial for avoiding circularity”)
  • Prämissen zur Anwendung explizit prüfen (Im Alltag würden diese nur formuliert, falls die entsprechende Prämisse zutrifft)
  • Mangelnde „sprachliche Bausteine“, um logische Strukturen/Abfolgen auszudrücken
  • Inhaltlose Verwendung von „Worthülsen“, wie „Ohne Beschränkung der Allgemeinheit“, „Es sei…“, „Es gilt/ Es gelte“, da diese u.U. nicht begriffen wurden

Während in der Sitzung mehrere Forschungskonzepte genannt wurden, konzentrierte sich die Sitzung auf den Ansatz der Studie, welche im obigen Paper durchgeführt wurde. Dieser basierte auf „structural scaffolding“. Dies hat den Ansatz kognitive Ansprüche zu entlasten und anschließend Vorgaben und Hilfen bezüglich der Struktur/Strukturfindung abzubauen, um den SuS den Aufbau, Inhalt und Struktur sowie Sprache eines (mathematischen) Beweises näherzubringen. Als Beispiel wurden Lückentexte genannt, bei denen zuerst nur noch wichtige Argumente einzusetzen sind, allerdings im weiteren Verlauf die Lücken stetig vergrößert werden. Zur Abfolge der Argumentation in Abb.1 wurde diskutiert, ob diese bei komplexeren Beweisen durch ihre zwangsläufig rekursive Struktur (Für die eigentliche Aussage müssen ggf. innerhalb des Beweises zunächst andere Aussagen gezeigt werden) nicht zu uneinsichtig für SuS sein dürften. Das Ergebnis war, dass man sich stets überlegen müsse, welche Beweise sich überhaupt für die Methode eignen und an welcher Stelle der Schullaufbahn das scaffolding idealerweise eingesetzt werden sollte. Letztlich sei es eher ein Werkzeug für Beweise mit wenigen Schritten.


Diskussion der Durchführung/Ergebnisse der Studie

Argumentation des Beispiels des Winkeltheorems

Die Grundidee des scaffolding wurde positiv wahrgenommen, ebenfalls das konkrete Beispiel, welches in der Studie verwendet wurde („vertically opposite angle theorem“), allerdings wurde hinterfragt, ob in der Realität die Anwendung tatsächlich gewinnbringend sein dürfte, da zumal auch von den Autoren aufgeführt wurde, dass die alleinige Behandlung dieses Beweises keine weitläufigen Aussagen zulasse (chapter 5 : „This study has methodological limitations that will still have to be overcome in later design experiment cycles or future research. […] The teaching-learning arrangement focused only on angle theorems; future research should extend to other topics”). Ebenfalls wurde angemerkt, dass hier eventuell das Augenmerk zu stark auf der Struktur liege, sodass der eigentliche Beweis in den Hintergrund gerate. Allerdings sei aber auch das Lernziel die Fähigkeit Differenzierbarkeit von Prämisse, Argument usw., sowie die sprachliche Struktur und Beweisstruktur zu unterstützen.

Des Weiteren wurde bemerkt, dass die Verwechslung der SuS im Text zum Teil ihren Ursprung daran haben könnte, da innerhalb des Unterrichtes bei Abfragen bzw. Rückfragen an die SuS die Lehrkräfte häufig mit knappen Antworten zufrieden seien, sodass eine strukturierte Begründung seitens der SuS selten vorkomme (Bsp.: L: „Woran liegt das?“ S: „Pythagoras.“ L: „Richtig.“) Auch wurde der Unterschied zwischen mündlicher und schriftlicher Beweisstruktur wahrgenommen, wobei dieser ggf. bei mündlicher Abfrage an der Unsicherheit, wie die Antworten aussehen sollen liegen könne, sowie der Tatsache, dass bei der schriftlichen Verfassung erst nach der mündlichen erfolgte, sodass eine Reflexion seitens der Sus erfolgen konnte.



Inputphase

In dieser Phase wurde an die vorherige Stunde angeknüpft, indem zunächst der Text zentral zusammengefasst und ggf. ergänzt wurde. Es wurden verschiedene Motivationen von Beweisen erörtert, wie Einsichtigkeit der Allgemeingültigkeit der Aussage oder diese zu veranschaulichen.

Beispiel einer unanschaulichen Aussage: Die Winkel α und β sind für einen beliebigen Punkt P und einer beliebigen Sehne g auf dem Kreis identisch. Diese Aussage wird eher anhand eines Beweises anstatt der bildlichen Veranschaulichung einsichtig.


Auch wurde Beweisen an sich differenziert betrachtet unter der Beweisfindung (Problem lösen) und der Beweisdarstellung (Bsp.: scaffolding), die beschreibend oder symbolisch erfolgen kann. Hierbei erfolgt die Beweisfindung eher als kreativer Prozess, der sprunghaft sein kann und auch Rückschläge in sich birgen kann, während die Darstellung lediglich die Präsentation des Ergebnisses ist, welche an das jeweilige Publikum angepasst wird und formalen Kriterien genügt. Anschließend wurde der Idealtypischer Beweis-Prozess (nach Boero) vorgestellt, sowie wie dies bei SuS angewendet werden kann und welche Probleme auftreten können [ für Details: s. Sitzungsmaterialien]. Hier wurde betont, dass es wichtig sei, bei SuS ein Beweisbedürfnis zu wecken und diese zu motivieren.


Arbeitsphase

Abschließend zur Sitzung wurde das Gelernte genutzt, um den Beweis für den Satz des Thales für SuS aufzubereiten. Die erste Formulierung: „Alle Winkel an einem Halbkreis sind rechte Winkel“ wurde zunächst formal bewiesen:

Skizze zur Veranschalichung des Beweises (Thales)


Formaler Beweis

Es ist

|MA| = |MC| = |MB| = r,

wobei r den Radius des Kreises bezeichnet. Also sind ΔAMC und ΔMBC gleichschenklig. Insbesonders gilt aufgrund des Basiswinkelsatzes für gleichschenklige Dreiecke:

 \alpha = \gamma_1 und  \beta = \gamma_2.

Wegen des Satzes der Winkelsumme im  \Delta gilt:


  \alpha + \beta + (\gamma_1 + \gamma_2) = 180^\circ
und mit
   \alpha = \gamma_1 , \beta =  \gamma_2


ergibt sich
2( \gamma_1 + \gamma_2 ) = 180^\circ -> \gamma = \gamma_1 + \gamma_2 = 90^\circ.


Aufbereitung des Beweises

Zunächst stellte sich die Frage, welches Vorwissen bei den SuS vorhanden sein und aktiviert werden muss. Dies wurde an der Tafel zusammengetragen:

  • Alle Punkte auf einer Kreislinie haben den gleichen Abstand zum Kreismittelpunkt
  • Basiswinkelsatz für gleichschenklige Dreiecke
  • Satz über Winkelsumme im Dreieck, Rechnen mit Winkeln (Addierbarkeit, Ergänzung von Winkeln)
  • Lösungsverfahren von Gleichungen, speziell Einsetzungsverfahren
  • Definition & Eigenschaften von gleichschenkligen Dreiecken

Anschließend wurde diskutiert, wie man dieses Vorwissen aktivieren könne, im Hinblick auf den möglichen Zeitaufwand zu Beginn einer Unterrichtsstunde. Genannt wurden Besprechung von Hausaufgaben, Kurzteste oder -abfragen sowie ein Quizz zu beginn. Für letzteres sollten Fragen entworfen werden, die im Idealfall aus Zeitgründen kompakt, aber dennoch alles abdecken sollten. Beispiele waren:

  • Was ist ein Kreis?
  • Was ist ein (gleichschenkliges) Dreieck?
  • Wieviele rechte Winkel kann ein Dreieck haben?

Allerdings wurden auf den Einwand hin, dass eventuell Schwierigkeiten dabei auftreten könnten, den Bezug dieses Wissen zum Beweis zu sehen, noch bildliche Beispiele genannt, die in Richtung der obigen Skizze des Beweises gingen. Hierbei könnte man fragen: "Wie lang ist |AB|?" usw.

Nachbereitungsauftrag

Entwerfen Sie eine Prüfungsfrage bzw. ein kurzes Prüfungsgespräch zu den Sitzungen zum Beweisen & Argumentieren (I+II). Ihre Frage sollte dabei nicht nur bloße Wissensabfrage sein, sondern auch Anwendungen, Begründungen oder Diskussionen erfordern. (Sollte Ihnen doch nur Aufgaben zur bloßen Wissensabfrage einfallen, entwerfen Sie drei Prüfungsfragen.)

  1. Formulieren Sie Ihre Prüfungsfrage bzw. den Anlass für das Prüfungsgespräch in der Aufgabenstellung-Spalte.
  2. Beschreiben Sie ausführlich, wie mögliche (richtige) Antworten auf Ihre Frage aussehen könnten bzw. welche Aspekte in einem Prüfungsgespräch zu dieser Frage angesprochen werden sollten. Tragen Sie dies entsprechend in die Erwartungshorizont-Spalte ein.
  3. Erläutern Sie kurz, warum Sie diese Aufgabe einen zentralen Aspekt der Sitzung abdeckt und welche Anforderung an Wissen/Kompetenzen die Aufgabe fordert.

Unter den übergreifenden Literaturhinweise sind insbesondere relevant:

  • Abschnitte: „Was ist ein Beweis?“, „Funktionendes Beweisens“, „Beweis und Beweisfindung“
  • Abschnitte: „Kompetenzen vonSchülerinnen und Schülern“, „Inhaltlich-anschauliche Beweise“

Ergebnisse der Nachbereitung

Tragen Sie die Ergebnisse Ihrer Nachbereitung in die folgende Tabelle ein.

Aufgabenstellung Erwartungshorizont Diskussion
  • Erklären und erläutern Sie den Begriff des Scaffoldings.
  • Warum ist das Prinzip des Scaffoldings für den Mathematikunterricht relevant?
  • Sie sollen eine Unterrichtseinheit zum Thema Strahlensätze vorbereiten. Wie gehen Sie in Ihrer Unterrichtsplanung vor?
  • Überlegen Sie sich Beispiele für Scaffolding-Maßnahmen im Kontext der Strahlensätze.
  • Scaffolding meint das Bereitstellen sprachlicher "Gerüste", welche die SuS nutzen können, um fachspezifische Aussagen präzise und treffend formulieren zu können. Im Idealfall sind die SuS dazu in der Lage, die Fähigkeiten, welche sie mithilfe des sprachlichen Gerüsts erlernen, später eigenständig und ohne Hilfestellung anzuwenden.
  • Das Prinzip des Scaffoldings lässt sich insbesondere auch auf den Mathematikunterricht anwenden. SuS haben häufig Probleme damit, mathematische Formulierungen zu übernehmen und entsprechende Begrifflichkeiten einzusetzen. Insbesondere im Kontext von Beweisen und Argumentationsstrukturen fällt es vielen SuS schwer, präzise zu formulieren, die richtige Beweisstruktur zu finden und entsprechende Begriffe zu verwenden. Gibt man ihnen beispielsweise das Gerüst eines mathematischen Beweises an die Hand, so können die SuS sich an diesem entlanghangeln und die tieferliegenden Strukturen des Beweises besser verstehen. Ziel des Verfahrens ist es natürlich, dass die SuS das Prinzip so sehr verinnerlichen, dass sie das Gerüst später nicht mehr benötigen, um einen Beweis führen zu können.
  • Zunächst einmal würde ich mir überlegen, welche mathematischen Begriffe die SuS für die Erarbeitung des Themas und das Verstehen des Beweises benötigen und welche Schwierigkeiten bestehen. Die SuS benötigen beispielsweise das Verständnis der Begriffe "Strecke", "Gerade", "Punkt" und "Schnittpunkt zweier Geraden". Auch das Konzept vom Betrag, also der Länge einer Strecke sollte bekannt sein und ebenso die Tatsache, dass man mit der Länge von Strecken rechnen kann. Zentral ist außerdem der Begriff der Parallelität zweier Geraden. Für Schwierigkeiten könnte außerdem die Vorgehensweise der Strahlensätze sorgen, Strecken bzw. ihre Länge in Verhältnis zueinander zu setzen. Im Idealfall kann an diesem Punkt auf intuitives Verständnis der SuS zurückgegriffen werden. Im nächsten Schritt müsste die Lehrperson die festgestellten Anforderungen mit dem Kenntnis- und Fähigkeitsstand der SuS abgleichen und eventuelle Probleme ausfindig machen. Diese lassen sich dann mithilfe von Scaffolding-Maßnahmen verdeutlichen oder unterstützen.
  • Beispiel 1: Unterschiedliche Formulierungen der Aufgabenstellung ermöglichen es SuS mit unterschiedlichem sprachlichem Kenntnisstand, eine Aufgabe besser zu verstehen. Geht es um die Formulierung eines Beweises, so gestaltet sich dies etwas schwieriger, da gewisse sprachliche und formale Anforderungen existieren, die man nicht außer Acht lassen darf. Dennoch lassen sich möglicherweise alternative Formulierungen und grafische Unterstützungen für die Strahlensätze finden.
  • Beispiel 2: Ein Glossar über wichtige Redewendungen und Konjunktionen, welche in mathematischen Beweisen verwendet werden, könnte den SuS helfen, diese selbst einzusetzen. Ist den SuS bewusst, welche Bedeutung beispielsweise Formulierungen wie "wenn..., dann..." oder "folglich" oder "unter der Voraussetzung, dass..." haben, so verwenden sie diese möglicherweise selbst und sind sich der Tragweite bewusst.
  • Beispiel 3: In der Auseinandersetzung mit dem Beweis der Strahlensätze stufenweise vorgehen: Zunächst eigene Auseinandersetzung mit Aussage und Tragweite in Einzelarbeit, dann Austausch in Gruppen, ggf. Visualisierung und Beantwortung von Fragen im Schüler-Lehrer-Gespräch oder im Klassengespräch, dann Ergebnisse verschriftlichen und der Klasse präsentieren (--> Feedback), ggf. Diskutieren unterschiedlicher Lösungswege / Vorgehensweisen der SuS.

Bei der Beantwortung dieser Fragen beschäftigen sich die Studierenden mit dem Begriff des Scaffoldings, welcher fächerübergreifend von zentraler Bedeutung ist. Darüber hinaus werden die grundlegenden Vorgehensweisen der Unterrichtsplanung wiederholt und die Studierenden dazu aufgefordert, das Prinzip des Scaffoldings explizit in die Überlegungen mit einzubeziehen.

Betrachten Sie die folgenden beiden Beweismöglichkeiten.
Benennen Sie die beiden Beweisdarstellungen und diskutieren Sie die jeweiligen Vor-und Nachteile.

Beweisdarstellung 1
Beweisdarstellung 2
  • Beweisdarstellung 1 wurde beschreibend gelöst. Vorteile sind ein einfacher Zugang und die daraus resultierende Verständlichkeit für SuS. Jedoch erfordert eine solche beschreibende Beweisdarstellung die Fähigkeit, sich geschickt auszudrücken und riskiert eine unübersichtliche Darstellung.
  • Beweisdarstellung 2 wurde symbolisch gelöst. Im Gegensatz zur beschreibenden Beweisdarstellung ist dieser Zugang (falls ordentlich notiert) übersichtlicher und dadurch eingängiger. Jedoch kann eine symbolische Darstellung für SuS unverständlich wirken und der Umgang mit verschiedenen Operatoren und Zeichen muss zuvor erlernt werden.

Durch diese Aufgabe werden verschiedene Beweisdarstellungen wiederholt und an einem konkreten Beispiel aufgezeigt. Vor-und Nachteile werden diskutiert, um die Beweisdarstellungen gegenüberzustellen.

Eine SchülerIn formuliert folgenden Beweis zum Satz über die Winkelhalbierenden im Dreieck: "Ich konstruiere die Winkelhalbierende w_α von α. Jeder Punkt auf w_α ist gleich weit von b und c entfernt. Das Heißt, ich kann einen Kreis mit Mittelpunkt auf w_α konstruieren, der b und c jeweils in einem Punkt schneidet. Wenn ich den Mittelpunkt des Kreises auf w_α verschiebe, dann berührt der Kreis irgendwann die Seite a. Also hat jedes Dreieck einen Innenkreis."

Beurteilen Sie den vorliegenden Beweis. Wie könnte eine Rückmeldung an die SchülerIn aussehen?

  • Der Beweis ist (mit eventuell vorliegender Skizze) nachvollziehbar und zeigt die Existenz des Innenkreises. Es zeigt sich ein dynamischer, explorativer Zugang zur Beweisfindung (verschieben des Kreises auf Winkelhalbierenden).
  • Allerdings ist der Beweis unvollständig, da der Zusammenhang zwischen Innenkreismittelpunkt und allen Winkelhalbierenden nicht herausgearbeitet wurde (Innenkreismittelpunkt als Schnittpunkt der Winkelhalbierenden).
  • Die Formulierung des Beweises in Ich-Form zeigt, dass sich die SchülerIn (noch) nicht an die formalen Kriterien der Beweisführung hält. Es zeigt sich eher wie ihnaltlich-anschaulich eine Teilaussage des Satzes gedanklich gefunden wurde.
  • Der Beweis eignet sich nicht als Konstruktionsbeschreibung für Innenkreise von Dreiecken.

Eine Rückmeldung muss auf die Unvollständigkeit des vorliegenden Beweises hinweisen. Dies kann durch Fragen geschehen, die auf die Nutzung aller gegebenen Voraussetzungen (alle Winkelhalbierenden) abzielen ("Was passiert wenn du deine Überlegungen auf die anderen Winkel/Winkelhalbierenden anwendest?"). Das sich der Beweis nicht als Konstruktionsbeschreibung für die Konstruktion eines Innenkreises eignet, kann auch Anlaß bieten um der SchülerIn die mangelnde Qualität ihres Beweises aufzuzeigen.

Durch diese Aufgabe werden Problematiken die SchülerInnen mit Beweisen und Argumentieren haben können angesprochen.

In einem Interview mit Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 8 wird den Befragten die Aufgabe gestellt, den Winkelsummensatz („Die Winkelsumme der Innenwinkel eines Dreiecks beträgt 180°) zu beweisen. Als Hilfestellung erhalten sie die Skizze eines Dreiecks, in welche bereits die Innenwinkel α, γ und β, eine zur Seite AB parallele Gerade g mit C ∈ g und die Wechselwinkel α* von α und β* von β eingezeichnet sind.

Betrachten Sie die Vorgehensweisen von Oliver. Welche Schwierigkeiten beim Argumentieren und Beweisen zeigen sich? Wie könnten Sie als Lehrperson diesem Problem entgegenwirken?

Olivers Vorgehensweise: Oliver geht bereits von der Winkelsumme im Dreieck aus und argumentiert, dass aus α + γ + β = 180° und α* + γ + β* = 180° die zu beweisende Behauptung α* = α und β* = β folgt. Schlussendlich argumentiert er: „Weil, wenn es weniger als 180° wäre, dann würde das Dreieck überhaupt nicht zusammenpassen. Es gibt kein Dreieck, was nicht 180° hat.“

Der gröbste Fehler in Olivers Argumentationsweise ist, dass er mehrmals die zu beweisende Aussage benutzt. Die Unterscheidung zwischen Prämissen und Schlussfolgerungen gelingt ihm offensichtlich nicht. Für die Schlussfolgerung, dass aus den Gleichungen α + γ + β = 180° und α* + γ + β* = 180° die Gleichheiten α* = α und β* = β folgen, liefert er kein Argument. Wesentliche Vorkenntnisse und Fertigkeiten beim Umgang mit Gleichung scheinen ihm zu fehlen. Aus der „Erfahrung“, dass er kein Dreieck kennt, dessen Innenwinkelsumme nicht 180° beträgt, folgert er, dass dies für alle, d.h. für allgemeine Dreiecke gilt. Er sieht also nicht ein, dass empirische Argumente für mathematische Beweise keine ausreichende Gültigkeit besitzen.

Um dem gröbsten Argumentationsfehler von Oliver, dem Verwenden des zu beweisenden Satzes, entgegenzuwirken und die Unterscheidung von Prämisse, Argument und Schlussfolgerung zu fördern, könnte das Argumentationsmodell von Toulmin im Unterricht eingesetzt und den Schülerinnen und Schülern bei Beweisaufgaben als Hilfestellung zur Hand gegeben werden. Wesentliches Merkmal dieses Modells ist die spezifische Unterscheidung von Prämisse, Argument und Schlussfolgerung.

Mithilfe dieser Aufgabe können die Schwierigkeiten von Schülerinnen und Schülern beim mathematischen Argumentieren und Beweisen beispielhaft deutlich gemacht und mögliche Maßnahmen für Lehrpersonen diskutiert werden.

Klasse 7, Behauptung: In einem Trapez ergeben zwei auf der derselben Seite eines Schenkels liegenden Winkel zusammen 180°.

  1. Wende Toulmin’s Argumentation Struktur auf den Beweis an
  2. Welche Vorkenntnisse müssen bei den SuS vorhanden sein und wie können diese aufgefrischt werden?
  3. Welche Strategien sind für die Beweisfindung hilfreich?
  4. Welche Funktion deckt der Beweis ab und wie kann das Beweisbedürfnis bei SuS geweckt werden?
  1. siehe Abb. i):
    Abb. i): Toulmin-Schema für Beweis "In einem Trapez ergeben zwei auf der derselben Seite eines Schenkels liegenden Winkel zusammen 180°."
  2. Voraussetzungen: Definition und Eigenschaften eines Trapezes, (starker) Stufenwinkelsatz, Nebenwinkel, Rechnen mit Nebenwinkel
    Auffrischung z. B. durch “Wahr oder Falsch?” oder durch GeoGebra-Spielereien: Jedes Parallelogramm ist auch ein Trapez. Jedes ist ein Trapez. Jedes Trapez ist ein Viereck. In der folgenden Abb. ii) sind die Winkel α und β gleich groß.
    Abb. ii): Beispiel für Wahr-oder-Falsch-Aufgabe zu starkem Wechselwinkelsatz
  3. In diesem Beispiel sind Heuristische Hilfmittel wie Skizzen und Hilfslinien bzw. die Erweiterung von Strecken auf Geraden hilfreich zur Beweisfindung. Dies kann als Tipp oder zur Differenzierung im Unterricht benutzt werden. Außerdem können Vorraussetzungen und Die Behauptung erschlossen werden (siehe unten: Überzeugungsaspekt und Kommunikation)
  4. Überzeugungsaspekt: Ergebnis ist nicht sofort einsehbar; kann z. B. explorativ mit GeoGebra an verschieden Rechtecken untersucht werden (Experimentelles Beweisen)
Erklärungsaspekt: Lokales Ordnen, das Prozessziel, Anwenden von bekannten Sätzen steht im Vordergrund (inhaltlich-anschauliches Beweisen durch Skizze und Toulmin Modell)
Kommunikation: SchülerIn misst: “In meinem Trapez ergeben die Winkel aber nur 175°”. Die MitschülerInnen müssen durch einen Beweis und/ oder durch Finden fehlender Vorraussetzungen im Beispiel den Fehler finden. Letzteres macht die indirekte ‘Wenn-dann-Logik’ der Aussage klar.
Entdecken: Durch Reflektion des Beweises kann der Gültigkeitsbereich der Aussage untersucht werden: In welchen anderen Vierecken ist das der Fall? Was ist die entscheidende Voraussetzung?
Zusammenhänge herstellen: Durch den Beweis werden Eigenschaften von Vierecken mit Sätzen, die eher im Kontext Dreieck oder bei allgemeinen Transversalen benutzt wurden, hergeleitet. Dadurch werden Winkelbetrachtungen auf Vierecke ausgeweitet und die Bereiche miteinander verknüpft.

In der Aufgabe muss das Toulmin-Schema angewandt werden und über Schülervoraussetzungen und Hilfestellung bei der Beweisfindung reflektiert werden. Zuletzt werden auch die Funktionen von Beweisen auf ein konkretes Beispiel übertragen und Umsetzungsmöglichkeiten zum Wecken des Beweisbedürfnis genannt.

Sie planen verschiedene Aktivitäten zum Beweis des Satzes über die Winkelsumme im Dreieck. Erklären Sie die Unterschiede zwischen einem experimentellen Beweis, einem inhaltlich-anschaulichen Beweis und einen formalen Beweises anhand dieses Satzes. Wie könnte differenziertes Arbeitsmaterial zu diesem Themengebiet aussehen?

Ein experimenteller Beweis verwendet meist Alltagssprache und zeigt (meist) nicht die Allgemeingültigkeit eines Satzes. In diesem Kontext könnten die SuS verschiedene Dreiecke mit dem Geodreieck vermessen und so feststellen, dass die Winkelsumme immer 180° ist.
Ein inhaltlich-anschaulicher Beweis verwendet umschreibende Begrifflichkeiten. Er muss mit Handlungen gezeigt werden. In diesem Kontext ist das klassische Beispiel das Abreisen der Ecken eines Dreiecks und das Zusammenlegen dieser, zu einem großen Winkel. Man verwendet hier quasi indirekt den Wechselwinkelsatz.
Ein formaler Beweis verwendet formale Sprache und arbeitet mit korrekten logischen Schlussfolgerungen. In diesem Fall würde die Aussage mittels des Wechselwinkelsatzes bewiesen.
Differenziertes Arbeitsmaterial zu diesem Themengebiet könnte zum Beispiel das Konzept des Scaffoldings verwenden. So kann unterschiedlich leistungsstarken SuS die Möglichkeit gegeben werden verschiedene Möglichkeiten des Nachvollziehens der Aussage über die Winkelsumme zu erfahren. Beispielsweise könnte mit Lückentexten beim formalen Beweis gearbeitet werden. Auch könnten schwächere SuS nur den inhaltlich-anschaulichen Beweis durchführen.

In der Aufgabe müssen die Begriffe experimenteller Beweis, inhaltlich-anschaulicher Beweis und formaler Beweis erklärt werden. Desweiteren müssen diese Begriffe in Zusammenhang mit einem konkreten Satz aus der Schulmathematik gebracht werden. Außerdem sollen konkrete Vorschläge der Umsetzung für den Unterricht vorgeschlagen werden.

Literaturhinweise